Amazon Kundenservice: Dein Problem ist uns nicht wichtig genug

Wer mir auf Twitter folgt, hat ja vielleicht mitbekommen, dass ich in den letzten Tagen Kontakt zum Amazon (kein Affiliate-Link) Kundenservice hatte. Kurz gesagt: Ich war nicht zufrieden.

Eine Geschichte in 5 Akten

1. Akt: Die Vorgeschichte

Ich bin schon seit 2005 bei Amazon und habe dort gerne eingekauft. Die Lieferung funktionierte eigentlich immer reibungslos und schnell. Daher bin ich seit letztem Jahr auch Amazon-Prime-Kunde und habe seitdem noch einmal erheblich mehr bestellt (ca 80 Bestellungen im letzten Jahr). Zum Kundenservice hatte ich, soweit ich mich erinnere, in der ganzen Zeit keinen Kontakt. Ich habe eine sehr geringe Rücksendequote, da ich dazu neige bestellte Gegenstände zu behalten, auch wenn sie nicht perfekt sind oder Impulskäufe waren. Ich möchte meine Unentschiedenheit nicht auf dem Rücken der Händler austragen.

Mir wurde immer berichtet, der Kundenservice sei ganz ausgezeichnet und diese Backup war ein echter Vorteil, beispielsweise gegenüber Ebay, wo man ja nie so genau weiß, mit wem man es zu tun hat. Ich habe auch deshalb oft die von Amazon direkt verkauften Artikel gegenüber dem Marketplace bevorzugt, selbst wenn sie etwas teurer waren. Die wegfallenden Versandkosten waren dann auch ein wichtiger Grund für die Prime-Mitgliedschaft (ich nutze auch Prime Instant Video). Der Preisnachteil von Amazon-Direkt wurde so meist deutlich reduziert.

Ein Kollege war vor einiger Zeit Trainer für Call-Center-Mitarbeiter und berichtete von der sehr kundenfreundlichen Ausrichtung der Mitarbeiter. So fühlte ich gut abgesichert.

2. Akt: Der Anlass

Zu mir wurden in der letzten Zeit-nicht nur von Amazon- zunehmend Pakete mit UPS gesendet. Paketdienste sind ja nun ein weites Feld, die lokalen DHL und Hermes-Boten sind aber soweit in Ordnung. UPS gibt die Pakete grundsätzlich nicht bei den Nachbarn ab (vielen Dank an die nette Nachbarin im Erdgeschoss für die Entgegennahme der anderen Pakete) und versucht auch gar nicht eine Zweitzustellung, sondern wirft die Pakete bei dem nächstgelegenen Paketshop ab. Dieser Shop ist aber gut 1,5 km von uns entfernt, hat recht begrenzte Öffnungszeiten und einen etwas speziellen Betreiber, was zu unnötig langen Wartezeiten führt. Die Abholung passt nur dann in unseren Tagesablauf, wenn ich die Pakete auf dem Rückweg von der Arbeit abhole. Jetzt fahre ich mit der BVG und nicht mit dem Auto und zudem ist es sehr schwierig in der Nähe des Shops einen Parkplatz zu finden. Zuletzt hatte ich ein 10kg-Paket im Regen nach Hause geschleppt und danach etwas schlechte Laune.

Es gibt in Berlin ja durchaus Geschäfte. Ich bestelle im Internet, damit es für mich bequem ist. Ich sitze Abends am Laptop und zwei Tage später ist die Ware da. Wichtig ist auch die Auswahl, der Preis erst in zweiter Linie. Amazon vermittelt mit seiner Werbung für Prime den Eindruck, dass besonderen Wert auf den Versand gelegt wird. Für mich als Kunde ist es nicht wichtig, wie lange das Paket auf dem Versandweg ist, sondern wann ich die Ware in Händen halte. Das kann dann bei UPS schon mal 2-3 Tage dauern, wenn ich es nicht schaffe bei dem Laden während der Öffnungszeiten vorbei zu gehen. Zudem ist es eben unbequem und damit nicht Premium sondern Mist.

Irgendwo habe ich gelesen, dass Amazon bei Problemen Versanddienstleister ausschließen kann. Nachdem ich wieder ca 1/4 Stunde in einer „Schlange“ von ca. 3 Kunden gestanden habe, da sich der Ladenbesitzer beim Gehen die Schuhe besohlen lassen wollte, um Etwas abzuholen reichte es mir. Ich hätte diese Ware am Ende viel leichter im Laden kaufen können.

Deshalb habe ich mich entschieden, den Kundenservice mit meinem Wunsch zu behelligen.

<summ> Dieser Weg wird kein leichter sein… </summ>

 

3. Akt: Der Kundenservice in Wort und Schrift

 

Da ich ja bisher noch keinen Kontakt zum Kundenservice hatte, habe ich mich auf die Suche nach der Telefonnummer gemacht. Ich habe mich durch diverse Hilfemenüs geklickt, konnte sie aber zunächst nicht finden. Im Vorteil sind somit Kunden, die sich oft beschweren. Wer zum ersten Mal ein Problem hat, wird nicht an die Hand genommen. Ich bin mir sicher, dass es einen nur 3 Klick weiten Weg gibt, die Nummer zu finden, nur leider gibt es tausende Möglichkeiten 3 Klicks zu machen.

Nach einigem Suchen habe ich mich dann entschieden, zunächst eine Rückmeldung zum Versand zu geben, die neben jeder Bestellung möglich ist. Dort wird nur nach Lieferdauer, nicht nach Lieferqualität gefragt, „Sonstiges“ ist nicht vorgesehen. Da ich mich ja beschweren wollte, habe ich „Paket zu spät“ ausgewählt. Immerhin war ja das Paket erst einen Tag später in meinen Händen. Das sollte später noch zu einigen Missverständnissen führen. Im Kommentarfeld habe ich dann meine Beschwerde hinterlassen. Nach dem Abschicken wurde mir klar, dass ich gar keinen Beschwerdefall eröffnet, sondern nur einen allgemeinen Kommentar abgegeben hatte. Immerhin erschien jetzt ein Link unter dem man um Rückruf bitten konnte.

Also Telefonnummer eingegeben und auf Rückrufbitte geklickt und tatsächlich klingelte wenigen Sekunden später das Handy. Ich dachte, dass man das Problem leichter mündlich als schriftlich klären könne. Die Dame vom Amazon Kundenservice war freundlich, hörte sich meine Beschwerde an und erklärte, sie könne nichts tun. Sie gab mir den Tipp, doch eine Packstation auszuwählen, dann würde mit DHL geliefert. Leider ist die nächste Packstation noch weiter entfernt als der Laden. Im übrigen liefert DHL ja problemlos nach Hause. Alternativ könne ich ja auch einfach zu Hause sein, wenn UPS kommt. Sind Menschen mit Tagesfreizeit eigentlich die Hauptzielgruppe von Amazon? UPS soll, wie ich erfahren habe, 3 Zustellversuche machen. Amazon fühlt sich aber nicht zuständig, wenn das nicht eingehalten wird. Nach einiger Zeit wurde die Dame ungeduldig, war aber zu keinem Kompromiss bereit. Wenn ich mich recht erinnere sagte sie noch was von erneuter Überprüfung und damit war das Gespräch beendet.

Meine erste Erfahrung mit dem legendär kundenfreundlichen Amazon war also ernüchternd. Der wesentliche Unterschied zur Telekom war, dass der erst nach 9 Minuten und nicht nach 90 Sekunden aufgelegt wurde.

Mein Adrenalinspiegel war nun leicht erhöht und jetzt wollte ich es auch wissen. Also habe ich es auch nochmal über das Kontaktformular versucht. Auch dort konnte man noch einmal um Rückruf bitten, was ich nicht tat.

Nach einiger Zeit habe ich nochmal nach Emails gesehen und dabei festgestellt, dass ich nochmal von Amazon angerufen wurde. Ich hatte mich ja bewusst gegen einen erneuten Anruf entschieden da es für mich zu spät für geschäftliche Telefonate wurde und war auch darüber nicht erfreut. Man muss Amazon immerhin die kurzen Reaktionszeiten zugute halten. Andere Kundendienste brauchen manchmal Tage, wenn sie überhaupt antworten.

Inzwischen hatte ich zwei Emails von Amazon.

1. Wir bedauern, dass Sie ihr Paket noch nicht erhalten haben (habe ich doch), blabla, Ihre Prime-Mitgliedschaft wird kostenlos um einen  Monat verlängert.

Ok, war ein Fehler mit dem Anklicken von „zu Spät geliefert“. Der Monat Prime ist ja ganz nett, löst aber kein Problem.

2. Hallo, ich habe versucht Sie anzurufen. (Ach du warst das) Ich schicke Ihnen das Paket nochmal mit UPS.

Neeeein. Vollkommen falsch verstanden, vollkommen falsch reagiert. Problem noch nicht gelöst. Das habe ich dann auch über das Feedback-Formular mitgeteilt.

4. Akt: Amazons Social-Media-Inkompetenz

Da ich sowieso schon begonnen hatte, mich bei Twitter aufzuregen, habe ich nach dem Amazon-Account gesucht und auch AmazonHelp gefunden. Ich hatte dabei im Hinterkopf, dass viele Unternehmen bei ihren Social-Media-Teams besonders Kulant sind, da sie negatives Feedback auf diesen Kanälen vermeiden wollen. Jedes gelöste Problem ist dagegen Werbung für das Unternehmen. Ich habe also meine ungehaltenen Tweets auch an deren Account gerichtet. An Abenden haben die wohl frei, da zunächst keine Reaktion erfolgte.

Am nächsten Morgen bekam ich einen Tweet mit einem Link zu einem Formular, mit dem ich das Social-Media-Team einschalten konnte, was ich tat. Das ist zwar etwas bürokratisch, aber immerhin besser als nichts. Es erfolgte dann nochmals ein Rückruf während meiner Arbeitszeit, den ich erst später gesehen habe. Auf der Mailbox war ein Spruch, ich hätte mich ja über Facebook gemeldet. Facebook, Twitter wer soll das den alles auseinander halten mit diesem ganzen Social-Media-Dingens. Ich habe dann nochmal eine Email erhalten, man könne leider nichts für mich tun. Im Footer steht der Satz: „Unser Ziel: das kundenfreundlichste Unternehmen der Welt zu sein. Ihr Feedback hilft uns dabei.“ Das empfand ich zunehmend als Hohn. Zudem führt der Link direkt hinter diesem Satz mitnichten zu einer Feedback-Seite, sondern nur zur Amazon-Startseite. Das ist dann entweder erschreckend inkompetent oder zeigt deutlich, wie wichtig Feedback tatsächlich ist.

Es gab noch 1 oder 2 weitere Anrufversuche. Am Nachmittag hatte ich dann ein längeres Gespräch mit einem Amazon Support-Mitarbeiter. Ob es Second-level-support oder ein Mitarbeiter des Social-Media-Teams war -wenn es dieses überhaupt gibt- weiß ich nicht. Das Gespräch war recht lange am Ende aber folgenlos. Der Mitarbeiter hat mir ausdrücklich bestätigt, dass es grundsätzlich möglich sei Versanddienstleister auszuschließen. Auch, dass der Mitarbeiter von UPS gegen die Zustellrichtlinen verstößt wurde mir nochmals bestätigt. Der Mitarbeiter war gut vorbereitet und kannte meine Bestellhistorie.

Zum meinem Anliegen teilte er mir mit, dass meine Beschwerde zu unwichtig sei, um Amazon dazu zu bewegen einen Haken in meinem Kundenprofil zu setzten. Er hatte offenbar keinen Spielraum bei der Beurteilung.

Mir wurde versichert, mein Anliegen den höheren Stellen vorgelegt. Ich habe dann bei Twitter gespottet, der Aufsichtsrat werde jetzt sicher einberufen um darüber zu beraten.

Damit ist das Thema jetzt wohl durch.

Ich habe mich als Nachklapp nochmal im Kundenforum geäußert. Dazu schreibe ich möglicherweise später etwas. Es ist dort speziell, teilweise aber auch lehrreich.

5 Akt: Was sollte Amazon lernen, was habe ich gelernt?

Ich habe des öfteren gehört, dass bei Amazon vieles stark reguliert ist. Dies gilt offenbar auch für den Kundenservice. Bei Produktbeschwerden hat der Kundenservice was man so hört einen breiten Spielraum. Da werden dem Hörensagen nach Produkte zurückgenommen, bei denen das Problem eindeutig auf der Seite des Kunden liegt. Bei den internen Prozessen scheint der Kundendienst offenbar kaum reagieren zu können.

Was Amazon meiner Meinung nach unterschätzt, ist den Umfang des Einkaufserlebnisses. Ich bestelle ein Produkt bei Amazon und lasse es mir von Amazon liefern. Sie bedienen sich dazu aus pragmatischen Gründen eines Paketdienstleisters. Dabei bleiben sie aber, nicht nur rechtlich sondern auch gefühlt so lange zuständig, bis die Ware beim Kunden angekommen ist. Amazon ist auf Grund seiner Marktmacht absolut in der Lage ein Service-Level-Agreement zu verhandeln und auch durchzusetzen. Derzeit scheinen sie an besonders kundenfreundlichen Bedingungen kein Interesse zu haben, möglicherweise weil dies ein paar Cent pro Sendung mehr kostet. Bei UPS scheint die Lage etwas unklar zu sein. Auf der einen Seite scheint Amazon es mit besonderen Vereinbarungen zu erlauben, Pakete auch bei Nachbarn abzugeben, auf der anderen scheint es in das Belieben des Zustellers gelegt zu sein, das auch zu tun. Mein Zusteller hat vermutlich am wenigsten Arbeit, wenn er Pakete nur einmal ausliefert, nie woanders klingelt und dann den ganzen Rest an einer Stelle abkippt. Das ist zwar nicht Regelgerecht aber wen interessierts? Amazon offenbar nicht. Liegt das Paket einmal in dem Laden, gibt es keinen einfachen und schnellen Weg über den Zusteller an die Ware zu kommen. Was da möglich ist, wenn man sich direkt mit UPS auseinandersetzt weiß ich nicht. Ich habe denen eine Frage über das Webformular bestellt, einen unpassenden Standardtext zurückbekommen, der vor allen auf die kostenpflichtige Hotline verweist. Ich habe mich an Amazon gewandt, da diese für ihren Kundenservice bekannt sind und bin vor Wände gelaufen. Mein Einkaufserlebnis ist auf jeden Fall erst einmal gestört.

Mich überzeugt auch die harte Ablehnung meines Wunsches nicht. Würde die Logistik von Amazon zusammenbrechen, wenn alle Kunden plötzlich ihren Lieblingsservice wählen würden? Kann sein, aber das ist hier nicht die Frage. Mir wurde immer wieder erklärt, ich könne doch an eine Packstation liefern lassen und dann ginge es über DHL. Dies löst mein Problem nicht (siehe oben), macht aber das Verhalten von Amazon unverständlich. Sie können offenbar technisch ein Paket einem Paketdienst zuordnen. Dann wird ein Label ausgedruckt auf dem eine Packstation steht. Die Pakete, die direkt an Kunden geliefert werden und die an Packstationen landen am Ende im selben Auslieferungsfahrzeug und werden zusammen ausgeliefert. Dies konnte ich anhand von automatischen Benachrichtigung bei mehreren an einem Tag gelieferten Paketen von verschiedenen Shops ziemlich sicher nachvollziehen. Somit würde auch die Logistik von DHL durch die Wünsche nicht überfordert. Worin dann die Gefahr für Amazons Logistik besteht, wenn auf ein Label statt Packstation eine Adresse gedruckt wird, kann ich nicht verstehen.

Amazon hat das Selbstbild eines kundenfreundlichen Unternehmens. Das auch zu sein, dazu sind durchaus Ansätze vorhanden. Der Kundenservice ist durchweg freundlich und man wird nicht abgewimmelt. Die Bereitschaft, sich umfangreicher mit einer Beschwerde zu befassen ist durchaus da. Die Antwortzeiten waren kurz und wenigstens die Mitarbeiter im Second-Level-Support waren gut informiert. Ich vermute, insgesamt mehr als eine Stunde Bearbeitungszeit in Anspruch genommen zu haben. Es gibt aber auch noch einige grundsätzliche Probleme:

  1. Wenn man einen guten Service bietet, sollte er auch leicht auffindbar sein. Bei Amazon gibt es viele Hilfemenüs aber wenig Hinweise auf den Support. Meiner Meinung nach gehört so ein Hinweis auf jede einzelne Hilfeseite. Oder soll er nicht so leicht gefunden werden?
  2. Wenn man Feedback ernst nimmt, sollte man die Möglichkeit für eine freie Kategorie vorsehen.
  3. Kulanz ersetzt keine Aufklärung. In meinem Fall wurde mehrfach „kulant“ reagiert, jedoch nicht auf mein Problem. Ich weiß, dass viele andere Unternehmen hier viel schlechter sind.
  4. Wer um Feedback bittet, sollte es auch leicht ermöglichen. Dazu ist auf ein Feedback-Formular zu verlinken und nicht auf die Hauptseite.

Offenbar besteht bei diversen Amazon-Kunden der Bedarf den Versender frei wählen zu können. Diese Bedürfnis sollte Amazon aufnehmen, denn der Versand ist Teil des Einkaufserlebnisses. Kunden werden ihre individuellen Gründe haben, wieso sie bestimmte Dienstleister bevorzogen. Sicher muss die Logistik dazu angepasst werden, der Rollout könnte jedoch in Wellen passieren. So könnte der Service zuerst für Beschwerdekunden ohne verschärfte Prüfung der Gründe, dann für Prime-Kunden und ggf. zuletzt für alle Kunden angeboten werden. Ob dies durch eine Auswahl für jede Sendung, ein Opt-Out für bestimmte Dienste in den Einstellungen oder wie auch immer passiert, kann Amazon genau so entscheiden, wie die Frage ob der Service kostenpflichtig ist. Wenn Amazon, wie möglicherweise  von ihnen befürchten, von der Welle überrollt werden sollte, ist dies ein Beleg dafür, dass bisher kein optimaler Service geboten wird.

Die Social-Media-Kompetenz ist auch ausbaubar. Auffällig ist, dass die betroffenen Mitarbeiter nur geringe Möglichkeiten haben zu besonders kundenfreundlichen Lösungen zu kommen. Es gibt die Erwartung, bei Anfragen über die Kanäle bevorzugt behandelt zu werden. Dazu gibt es eine Tendenz zu Medienbrüchen. Es scheint mir, als ob irgendjemand mal gesagt hätte, wir brauchen jetzt auch diesen Social-Media-Kram, von dem immer soviel die Rede ist. Die Erwartungen werden so jedenfalls bei mir nicht eingelöst. Macht es richtig oder lasst es. Ach ja: Zusagen, das Problem werde irgendwie an höherer Ebenen weitergeleitet braucht kein Mensch. Löst ein Problem oder lasst es aber macht keine windelweichen unverbindliche Versprechen.

Was habe ich gelernt? Natürlich habe ich mir die Frage gestellt, ob ich mich zusehr in ein nicht so dringendes Problem verbissen habe. Das kann durchaus sein. Ich hatte über die Zeit ein sehr gute Gefühl zu Amazon, dass zu meinem ersten Anlaufpunkt bei allen Produktsuchen geworden ist, dass jetzt zerstört ist. Möglicherweise war ja die Haltung von mir auf ordentlichen Service mit Fairness von mir (geringe Rücksendequote) zu reagieren und dafür auf ein Entgegenkommen zu hoffen naiv. Ich bin auf jeden Fall enttäuscht. Meine Prime-Mitgliedschaft ist erst gerade verlängert worden und damit inclusive des Freimonats noch länger als 1 Jahr gültig. Im Affekt zu versuchen das Abo zu kündigen habe ich gelassen. Somit hat Amazon jetzt Zeit, mich wieder von sich zu überzeugen.

Möglicherweise sollte ich nur pragmatischer mit Problemen umgehen. Nicht lebensnotwendige Bestellungen über UPS gehen zurück und es wird so lange bestellt, bis ein anderer Dienst liefert. Der gefühlte Vertrag ist aufgelöst, jetzt gilt das Vertragswerk.

Ach ja noch eine Erkenntnis: Traue keinem Kundenservice, den du noch nicht ausprobiert hast.

 

P.S: Ich wollte für diesen Beitrag ein Pressefoto von Amazon verwenden. Ob ich das darf konnte ich nicht herausfinden, da zwar Bedingungen angekündigt, diese jedoch nicht benannt werden. Man kann sich an den Presseservice wenden. Auf dieser Seite steht dann auch die Telefonnummer der Kundenservice.

 

Bücherverbrennung im digitalen Zeitalter

Ich kann nicht Kästner lesen, ohne an die Bücherverbrennung zu denken. In Berlin war die zentrale Veranstaltung auf dem Opernplatz, genau gegenüber der Humboldt-Universität, sozusagen unter den Augen der Gebrüder Humboldt. Die Verbindung ist kein Zufall. Kästner bemerkt in einer Gedenkrede hellsichtig, dass sich die Studenten mit ihrer Beteiligung an dieser Aktion mit in Haftung für die Politik der Regierung nehmen ließen.

Heute erinnert ein unter den Pflaster liegender Raum mit leeren Bücherregalen an die Barbarei. Das Mahnmal ist eindrucksvoll schlicht und schwer zu finden. Im Moment liegt es fast in einer der allgegenwärtigen Baustellen unter den Linden. Am Rand steht Heines prophetischer Ausspruch, dass wer Bücher verbrennt, eines Tages auch Menschen verbrennt.

Bücherverbrennung

Mahnmahl Bücherverbrennung Opernplatz Berlin

 

Amazon und Orwells 1984

Ich habe mir die Frage gestellt, wie die Veränderung der Gesellschaft auch die Möglichkeiten der intelligenten Barbaren verändert.
Ich lese inzwischen viele Bücher als E-Book. Es ist bekannt dass die E-Book-Händler (oder vielleicht besser E-Book-Leserecht-Vermieter) dauernden Zugriff auf die Bücher behalten. Amazon hat vor einiger Zeit mal ausgerechnet  Orwells 1984 gelöscht, als sich herausstellte, dass sie nicht die nötige Lizenz hatten. Sie haben sich zwar vielmals entschuldigt und gelobt, den Fehler nicht zu wiederholen, aber die Möglichkeit wurde eindrucksvoll demonstriert. Es ist bekannt, dass auch der Lesefortschritt und die Lesezeit protokolliert werden. Damit eröffnen sich Diktaturen oder auch aus dem Ruder laufenden demokratischen Regierungen neue Möglichkeiten. Eine dieser Möglichkeiten lässt sich direkt aus 1984 ableiten: In der dort dargestellten Gesellschaft ist die Hauptperson damit beschäftigt, alte Zeitungsberichte neuzufassen. Diese Arbeit ist in Zeiten von Datenbanken erheblich einfacher geworden, da nur noch ein Eintrag geändert werden muss. Zudem wäre es jederzeit möglich, Bücher durch „aktualisierte“ Fassungen zu ersetzten.

Kästner berichtet als Augenzeuge der Bücherverbrennung von Studenten, die sich einzelne Exemplare der eigentlich zu verbrennenden Bücher gesichert und nach Hause getragen haben. Das kann effektiv verhindert werden, indem man das entsprechende E-Book einfach löscht. Ein Zugriff auf die Datenbanken des Online-Händlers kann die Personen herausfiltern, die besonderes Interesse an in Nachhinein als gefährlich eingestuften Schriften hatten, indem man beispielsweise einen Schwellenwert für die Lesedauer definiert, das Interesse an vergleichbaren Schriften mit einbezieht oder die Kommentare, die der Leser eingegeben hat betrachtet. Was mir hier eingefallen ist, ist vermutlich nicht mal das kleine Einmaleins der Datenanalysten. Im Rahmen des NSA-Skandals wurde das ein oder andere zu den Möglichkeiten in meine Timeline gespült.

Schließlich eröffnet sich aus der Einkaufshistorie der Händler eine einfache Möglichkeit die Käufer von Büchern in der Papierversion zu entdecken und diese dann mal zu besuchen um sie zur Herausgabe des Exemplars zu bitten und sich auch sonst mal ein wenig umzuschauen.

Ich weiß, dass es noch eine Vielzahl elaborierter Methoden gibt, mit denen man Daten aus unterschiedlichen Quellen zu einem Gesamtbild zusammensetzten kann. Die Möglichkeiten sind vielfältig und täglich werden es mehr.

 

Was tun?

Wir müssen jetzt um unsere Bürgerrechte kämpfen. Wir müssen uns heute gegen Überwachungstechnologien aussprechen. Und wir müssen wachsam sein, wenn uns die Einschränkung der Freiheit als Kampf gegen das Verbrechen verkauft wird.

Kästner sagte in seiner Gedenkrede, dass die Ereignisse der Nazi-Zeit spätestens 1938 hätten bekämpft werden müssen. „Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat.“

Also nehmt nicht hin, wenn eure Rechte eingeschränkt werden. Seid aktiv gegen Bauernfänger, die leider überall in Europa Zulauf haben. Und wehrt euch gegen Unterdrückung und Angstmacherrei.

Ich möchte nicht erleben müssen, wenn es heißt: „Ich übergebe der digitalen Flamme die Bücher von…“