Bad Religion im Huxleys

Sometimes music is better than fiction

Der folgende Bericht ist eine Hommage. Der Auftritt von Bad Religion war das beste Konzert auf dem ich seit Jahren war und mir laufen immer noch Schauer den Rücken runter, wenn ich daran denke. Also Achtung: Hier spricht der Fan.

Huxley’s Neue Welt: Konzertsaal mit Stil

Ich hatte beim Kartenkauf nicht auf den WM-Plan gesehen und deshalb nicht gemerkt, dass das Konzert am Tag des dritten Gruppenspiels der Deutschen Mannschaft war. Welch ein Glück, sonst hätte ich es mir möglicherweise noch überlegt. Das Spiel habe ich mir dann in einer Kneipe an der Hermannstraße angesehen. Vielleicht schreibe ich ja noch darüber.

Huxley’s Neue Welt ist ein ein Konzertsaal mit Geschichte und einer der schönsten mittelgroßen Locations die ich kenne. Die stilvolle Dekoration entschädigt voll für den Eingang, der mich an Zugang zum Saal des Soldatenruhmes auf dem Mamajew-Hügel erinnert. Der Raum selber ist gleichzeitig auf angenehme Art altmodisch und modern und hat mich sofort eingenommen. Leider kann mein Handy keine guten Fotos im Halbdunkel machen. Daher mein Tipp: Macht Euch selbst ein Bild.

Als ich kurz nach acht ankam, spielten gerade The Ghost Rockets aus Schweinfurt. Deren Auftritt war ordentlich, aber nicht begeisternd. Es ist aber wohl auch schwierig vor einem Saal zu spielen, der sich nur langsam füllt und zudem nicht wahnsinnig interessiert ist.

The Ghost Rockets

The Ghost Rockets

Danach kamen die Broadway Killers, die netten Punk-Rock aus Dänemark gespielt haben. Mir schien es so, als ob sie sich vor allem für ihren Soloauftritt im White Trash am nächsten Abend warm spielen wollten. Ich hatte Dänemark bisher nicht als Heimat des Punk-Rock auf dem Schirm.  Es handelte sich um einen typischen Auftritt einer Vorband: Sie waren gut genug, um das Publikum einzustimmen, aber nicht so stark, als dass sie dem Mainact gefährlich werden konnten.

 

Broadway Killers

Broadway Killers

 

Bad Religion: The godfathers of punk-rock

Der mit schätzungsweise 600 Besuchern inzwischen gut gefüllte Saal ließ erahnen, dass es Bad Religion schon länger gibt: Am Eingang wurde 16-Jährigen der Eintritt verwehrt, ein Vater war mit seinem etwa 10 Jahre alten Sohn da. Die Masse war irgendwas von Twentysomething bis in die Fünfziger. Die Kleidungsfarbe war Schwarz oder Schwarz oder Schwarz. Ich fühlte mich wohl und mir ist eingefallen, dass ich mein 20 Jahre altes Fan-T-Shirt zu Hause vergessen hatte. Dabei war das mein erstes Bad Religion Konzert. Irgendwie war bisher immer etwas dazwischen gekommen. Es kribbelte wie schon lange nicht mehr. Ich hatte mich in der Mitte etwa 10 Meter vor der Bühne postiert und wartete ungeduldig.

Dann ging das Licht aus und Bad Religion kam auf die Bühne und begann zu spielen: Kein episches Intro, keine aufwändigen Lichteffekte nur Rock ’n‘ Roll. Ich war mitgerissen. Das Set begann mit „Fuck You“ von der neuen Platte „True North“, die zwar an die alten Zeiten erinnert, aber für mich keine Ohrwurm ist. Schon da war mir klar: Greg Graffin ist eine coole Sau. Er wird bald 50, hat graue Haare (längst nicht mehr alle), trägt eine Brille und hat ein Bäuchlein. Er tobt nicht über die Bühne sondern arbeitet vor allem mit Gesten. Und er vermittelt den Eindruck das Publikum, die Band, die ganze Situation jederzeit mit völliger Selbstverständlichkeit absolut unter Kontrolle zu haben. Dabei wirkte er nie arrogant, sondern freundlich und zugewandt.

Bad Religion: Greg Graffin in Pose

Bad Religion: Greg Graffin in Pose

Das Publikum ging von Anfang an gut mit. Als dann als zweiter Song mit „Modern Man“ schon ein Klassiker gespielt wurde, kam zunehmend Bewegung in die Menge. Als dann einige weitere Hits folgten, begann ich zunehmend mitzuhüpfen. Bei „21 Century (Digital Boy)“ kannte ich dann kein Halten mehr und habe mich ins Getümmel gestürzt.

Ich bin ja nicht mehr Jung und meine Pogo-Zeiten liegen schon etwas zurück, aber ich musste einfach mitmachen. Die erste Erkenntnis war: Gelernt ist gelernt, die Zweite: Die Anderen sind toll. Es ging gut ab aber es gab keine wild rudernden Tänzer. Zwei Lieder später wurde es dann etwas ruhiger, da inzwischen kein Sauerstoff mehr in der näheren Umgebung war und alle nur noch nach Luft schnappten. Zu dem Zeitpunkt war ich schon gut angeschwitzt. Das Set ging überwiegend mit gut gemischten Hits aus den letzten 30 Jahren weiter. Ich war glücklich. Ich fühlte mich lebendig. Das Adrenalin sprudelte. Es war so großartig.

Ich habe mich dann in Richtung Bühne treiben lassen, hatte irgendwann den Boden unter den Füßen verloren und stand bald direkt vor der Bühne (Beweisfoto oben). Es folgte ein Knaller auf den Nächsten und es wurde klar, dass das Publikum zu großen Teilen aus echten Fans bestand, die die Texte von allen Liedern mitsingen konnten. Ich war unter Freunden.

Bad Religion Songs sind kurz. So konnten in 1  1/2 Stunden 30 Songs untergebracht werden (Setlist). Nach einer Zugabe war das Konzert genauso unspektakulär zu Ende, wie es begonnen hat. Ich hatte keinen trockenen Faden mehr am Körper und war einfach nur begeistert. In der U-Bahn saß mir ein Mann um die 50 gegenüber, der offenbar ähnliche Empfindungen hatte.

Habe ich eigentlich schon erzählt, dass ich das Konzert großartig fand? Es war so toll, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich nächstes Jahr wieder zu Bad Religion gehen werde, da es eigentlich nur schlechter werden kann. Wenn ich Songs vom Konzert höre, bekomme ich immer noch Gänsehaut. Danke für dieses Erlebnis.

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